Kein Geld für Frontex
Die EU-Grenzpolizei Frontex will ihre zweifelhafte Arbeit verschleiern. Aber die Öffentlichkeit kann mit Transparenz-Aktivismus ein Licht auf Menschenrechtsverletzungen an den EU-Grenzen werfen.
Bildnachweis: FragDenStaat
In der Geschichte der Europäischen Union gibt es keine andere öffentliche Agentur, die so stark gewachsen ist wie die EU-Grenzschutzbehörde Frontex. Die beispiellose Anhäufung von Geld und Macht von Frontex in den letzten Jahren ist nicht mit angemessener öffentlicher Kontrolle einhergegangen. Während Frontex-Beamte in Zukunft an den EU-Grenzen Waffen tragen und Frontex-Drohnen alle Teile des Mittelmeers überwachen werden, ist es für Parlamentarier, Journalisten und NGO-Aktivisten schwierig herauszufinden, was genau Frontex in der gesamten EU eigentlich macht (und inwiefern sie an Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind).
Seit 2020 steht Frontex jedoch zum ersten Mal seit ihrer Gründung unter ernsthafter öffentlicher, politischer und gerichtlicher Beobachtung. Zum ersten Mal wurde die Agentur zudem für ihr Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen, unter anderem durch eine lang anhaltende Blockade der Haushaltsgenehmigung, den Rücktritt ihres langjährigen Exekutivdirektors Fabrice Leggeri und etwas, das die Agentur als ernsthafte Reputationskrise betrachtet, nämlich eine erhebliche Zunahme des kritischen Bewusstseins in der Öffentlichkeit.
Unser Ziel bei FragDenStaat ist es, die Öffentlichkeit in die Lage zu versetzen, die Macht von Frontex in Frage zu stellen, indem wir die Agentur zu mehr Transparenz zwingen. Wir nutzen das EU-Informationsfreiheitsgesetz strategisch, um die Arbeit von Frontex durch Informationsanfragen, Gerichtsverfahren und Kooperationen mit anderen NGOs und Journalisten zu hinterfragen.
Informationsfreiheitsanträge, Open-Source-Intelligence (OSINT) und Leaks wurden von verschiedenen journalistischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren als ergänzende Taktik eingesetzt, um Frontex erfolgreich ins Rampenlicht zu rücken und schwerwiegende und weit verbreitete Missstände aufzudecken. Die zunehmende Verfügbarkeit von Informationen über Frontex hat wiederum das Bewusstsein geschärft, die Ausweitung des kritischen Diskurses und des Widerstands gegen die Agentur katalysiert und zur Aktivierung politischer und rechtlicher Rechenschaftspflichten geführt.
Unsere Transparenzklage gegen Frontex, die wir 2018 eingereicht haben, hat dazu beigetragen, das Narrativ zu etablieren, dass Frontex außerhalb der öffentlichen Kontrolle agiert und es an Transparenz mangelt. Diese Klage auf Informationen über die Schiffe der Agentur im zentralen Mittelmeer war zwar vor Gericht nicht erfolgreich, dafür aber außergerichtlich.
Der kopflose Angriff der Agentur auf FragDenStaat hat dazu beigetragen: Nachdem sie vor Gericht gegen uns gewonnen hatte, versuchte Frontex sicherzustellen, dass sie nicht noch einmal vor Gericht verklagt werden würde. Sie versuchte, von uns Anwaltskosten in Höhe von ca. 24.000 € einzufordern, obwohl das Europäische Parlament zweimal forderte, dass sie ihre einschüchternde Forderung zurückziehen.
Als wir die übermäßige Geldforderung nicht bezahlten, zog Frontex gegen uns vor Gericht. Das Gericht wies Frontex an, seine Forderung auf etwa 10.000 € zu senken und stellte klar, dass Frontex seine Ausgaben massiv übertrieben hatte. Da Frontex weiterhin diese Summe von uns einforderte, beschlossen wir, dass Frontex sich uns in der Öffentlichkeit stellen müsse. Und so versuchten wir, Frontex persönlich und in bar in ihrem Brüsseler Büro zu bezahlen.
Aber unsere Aktion zeigte schnell, dass Frontex zwar gerne Einschüchterungstaktiken gegen andere einsetzt, sich aber selbst leicht einschüchtern lässt, wenn sie in der Öffentlichkeit auftreten soll. Bei unserer Ankunft in Brüssel räumte Frontex sein Verbindungsbüro und ließ niemanden zurück, der das Geld von uns abholen konnte.
Frontex hat sein Ziel, uns davon abzuhalten, sie nicht erneut zu verklagen, nicht erreicht. Im Jahr 2022 haben wir zusammen mit Sea-Watch Frontex verklagt, weil sie sich weigerten, Dokumente herauszugeben, die ihre Arbeitsbeziehungen mit der sogenannten libyschen Küstenwache im Detail beschreiben.
FragDenStaat spielt eine zentrale Rolle dabei, dass die unkontrollierte Macht von Frontex von der Zivilgesellschaft zur Rechenschaft gezogen wird. Letztlich geht es Frontex und der EU weniger um die Kosten einer Klage als vielmehr darum, ihre Kritiker zum Schweigen zu bringen. FragDenStaat existiert, um diesem Schweigen entgegenzuwirken und sich lautstark gegen die Undurchsichtigkeit der EU-Grenzkontrollen auszusprechen.
Über den Autor: Arne Semsrott arbeitet bei der Open Knowledge Foundation an dem Informationsfreiheitsportal FragDenStaat.de. Dieses Portal ermöglicht es interessierten Bürgerinnen und Bürgern, Informationen von einer Vielzahl von Organisationen des öffentlichen Sektors anzufordern.